Diese Woche, am Montag, den 7.12.2015, hatte ich endlich mein erstes Mal! Lange hatte ich es herbeigesehnt, spürte ein aufgeregtes Kribbeln in meinem Bauch und freute mich auf V. Für V war es auch das erste Mal. Wir hatten uns für zwanzig vor sieben am Abend verabredet. Als wir uns trafen, lächelten wir uns freudig zu und nahmen uns in die Arme. Gemeinsam flanierten wir zum Fania live bei den Wiener Stadtbahnbögen. Wir waren zu früh, doch die Kälte brachte uns zum Betreten des Lokals.

„Hallo. Seid ihr schon Gäste?“ Ein junger Mann lächelte uns zu. Erst ein paar Leute (nach der Frage zu urteilen nur Mitarbeiter/innen des Lokals und Veranstalter/innen des heutigen „Events“) waren im Raum und beäugten uns kurz. Einige von ihnen saßen in einer kuscheligen Ecke auf einem Sofa, (es war etwas zu dunkel um die Farbe zu erkennen) plauderten und schlürften etwas aus großen Weingläsern mit Rosenblätter darin.

Spätestens jetzt wird die/der ein oder andere/r verwirrt sein. Der Titel ist wohl etwas irreleitend gewählt, aber im Grunde genommen, kann ich nichts für eure ersten Assoziationen. Und bevor ihr jetzt in Erwartung eines „spannenden“ Erwachens meiner inneren Göttin weiterlesen wollt, muss ich euch enttäuschen. Das erste Mal, das ich meine, bezieht sich auf Vs und mein erstes Mal als Zuseherinnen bei einem Poetry Slam. Genauer gesagt beim Slam B.ock IV – ein Poetry Slam für Ute Bock.

Was ist ein Poetry Slam?

Und wer ist diese Ute Bock?

Einige von euch werden vielleicht schon Bescheid wissen, vielleicht sogar besser als ich.
Also ein Poetry Slam ist ein literarischer Wettbewerb bei dem die Teilnehmer/innen selbst verfasste Texte vortragen. Die Performanz nimmt dabei eine ganz wichtige Rolle ein. Den das Ziel der Slammer/innen ist es, das Publikum zu erreichen, mit dem Geschriebenen mitzureißen und zu berühren, denn schlussendlich entscheiden sie durch Klatschen und Beifall über das Weiterkommen des/der Slammers/in. Abgesehen von dem Text darf der/die Slammer/in keine weiteren Hilfsmittel während des Auftritts verwenden und sich auch nicht entblößen. Diana Köhler, die routinierte und ziemlich witzige Moderatorin des Abends, merkte an, dass sie schon einmal so etwas erlebt hatte. Ein Teilnehmer hatte sich während des Auftritts von den Zwängen seiner Kleider befreit, bot dabei jedoch, wie Köhler meinte, keinen sehr schönen Anblick. Kürzlich war sie im Internet auf der Suche nach Musikvideos ihrer neuen Lieblingsband und als sie fündig wurde, kam ihr der Frontsänger so sonderbar bekannt war. Es war derselbe, der sich ausgezogen hatte. Ach, vielleicht wäre es besser angekommen, hätte er doch damals einfach nur ein einziges Bussi verlangt. (Baby?)

Noch ungeklärt blieb die Frage zu Ute Bock. Sie ist eine ungemein tolle Persönlichkeit, die es sich schon über so viele Jahre hinweg zur Aufgabe gemacht hat, Menschen, die Hilfe zu leisten, die sich auch verdienen und die ihnen zusteht. Gemeinsam mit ihrem Team schafft sie Perspektiven für Asylwerber/innen und Schutzbedürftige durch Wohnbetreuungs-, Beratungs- und Bildungsprojekte und so viel mehr. Da das Flüchtlingsprojekt Ute Bock auch speziell durch Spenden unterstützt wird, finde ich das Projekt Bock auf Kultur, welches seit 2003 besteht, besonders gelungen. Künstler/innen aus allen verschiedenen Szenen beteiligen sich unentgeltlich an den Veranstaltungen, die in diesem Rahmen stattfinden. Als Zuseher/in kann man sich selbst bei diesen Events auf kultureller Ebene bereichern lassen und gleichzeitig helfen, denn der Reinerlös wird logischerweise für das Flüchtlingsprojekt Ute Bock genutzt. Klare Win-Win-Situation! Und vor Weihnachten vielleicht eine gute Möglichkeit das Gewissen zu beruhigen?

Zurück zu dem Abend im Fania live. V und ich hatten Bock, Bock auf Poetry Slam! Und waren sehr gespannt, was uns heute erwarten würde. Insgesamt traten 14 Slamer/innen auf der Bühne auf, die zuvor durch die Glücksfee Emanuel (Veranstalter des Events und im Team von Ute Bock) in vier Runden von jeweils drei beziehungsweise vier Personen, gelost wurden. Zu Beginn dachte ich diese Slams würden so ablaufen, dass alle drei (oder vier) zusammen auf der Bühne stehen würden, sich mit Worten batteln und sich so behaupten müssen, aber da hatte ich mich geirrt. Jede/r hatte maximal fünf Minuten Zeit (ansonsten wurden zur Alarmierung der Überschreitung des Zeitrahmens Seifenblasen geblasen) das Verfasste alleine (vorausgesetzt die Slamer/innen agierten im Team) zu performen. Nach jeder Runde wird von uns entschieden wer in die finale Runde kommt, und sich ein zweites Mal dem Publikum stellen darf.

Gleich die erste Slammerin war der komplette Wahnsinn, natürlich im guten Sinn. Mit dem ersten Moment mit dem sie ihre Gedanken mit uns teilte, war ich verloren. Verloren in den Wörtern, die sie wählte, verloren in den Sätzen, die sie sprach. Sie hatte mich in ihren Bann gezogen und ich wollte gar nicht, dass sie aufhörte. Ihre Stimme hörte ich noch am nächsten Tag in meinem Kopf widerhallen (und noch heute) und ich hatte das Gefühl, sie schon einmal am Burgtheater gehört zu haben. Auf meinem kleinen Block, den ich mir mitgenommen hatte, lassen sich sehr wenige Notizen zu ihrem Auftritt finden, das liegt natürlich daran, dass ich mir so wenig wie möglich von ihr entgehen lassen wollte und alles aufsaugen und aufnehmen wollte. Falls ihr euch überlegt auch mal einen Slam zu besuchen und im Programm den Namen Anna-Lena Obermoser lesen solltet, zögert nicht! Kauft sofort eine Karte und informiert mich!
Alles was ich jetzt zu ihrem Text sagen (beziehungsweise schreiben) könnte, würde ihm nicht gerecht werden. Ohne die Wirkung ihrer Sprache, ihrer Stimme vermag die Wirkung des Inhalts nicht auf euch überzuschwappen, deswegen will ich euch Gusto machen, aber nicht nur auf Anna-Lena, sondern auch auf all die anderen Slammer/innen, die den Mut aufbringen uns ihre Kunst zu präsentieren. Die uns zum Nachdenken, zum Lachen, zum Grübeln, zum Zweifeln, zum Verzweifeln bringt. Das ist nur eines der phantastischen Dinge an Literatur und Sprache. Wir können alle dieselben Texte lesen, dieselben Bücher lesen, doch niemals dieselben Bilder im Kopf haben. Möglicherweise ähnliche, doch erst durch das Lesen entfaltet sich die beschriebene Welt nochmal ganz neu in uns, eröffnet neue Denkmuster, lässt andere Assoziationen zu, zu denen eine Person, die doch haargenau dasselbe Buch wie du gelesen hat, nicht gekommen war. Man findet sich im Text wieder, schreibt die Geschichte fort und formt so die Literatur mit. Vielleicht nur in Gedanken, aber das scheint nebensächlich, zumindest für mich. Man nimmt Teil und kann verändern.

literature & culture - Mein erstes Mal

 

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Das bevorzugte Thema bei dem vierten Poetry Slam für Ute Bock war die Unzufriedenheit bei der Behandlung von Schutzsuchenden, wie Hass geschürt wird und für politische Zwecke und Ziele missbraucht wird, im speziellen von einer Partei. Hirschl, einer der Teilnehmer, benannte die Partei, meinte jedoch, dass trotz des negativen Kontext, in dem er diese Partei in seinem Text stellt, er Werbung für eben jene machen würde. Und das wäre, wie mir scheint, sein fernstes Ziel, so forderte er, trotz des Wissen vor sogenannten „Bekehrten“ zu sprechen, alle auf, die vielleicht doch diese Partei wählen sollten, sofort damit aufzuhören oder (ich zitiere) „sich zu schleichen“. Hirschl war nur eine/r der Slammer/innen, der wie die Waldgigantenfee es formulierte zu den „Nestbeschmutzer“/innen zählte. Die Waldgigantenfee (den Namen finde ich immer noch genial) hatte diesen Begriff vor seiner Performanz mit einer gewissen Ironie genannt und vorausgeschickt sich nun neben den davor aufgetretenen Nestbeschmutzer/innen einzureihen.

Ganz andere Inhalte hatten Die Bahnhofspoeten für ihre Auftritte gewählt, und zwar jene, die wie ich finde, starke Tabuisierung in unseren Kreisen finden. Die Menstruation. Darüber wird (wenn überhaupt) nur unter vorgehaltener Hand gesprochen (getuschelt) und zwar unter Verwendung möglichst vieler Metaphern. Ihre Performances waren mit denen von Hirschls die amüsantesten des Abends, wie ich finde.

Ich könnte euch noch so viel mehr darüber berichten, wer was gesagt hat, wer welches Thema angesprochen hat, was mir am besten gefallen hat, wer am lustigsten war oder wer mich nicht durch ihre/seine Texte erreichen konnte. Aber die Begeisterung, die ein Poetry Slam hervorrufen kann, könnt ihr nur selbst als Zuseher/in oder vielleicht sogar als Slammer/in erfahren. (mehr Infos!)

V und ich hatten unseren Spaß und bekamen Stoff mit, den wir verarbeiteten mussten. Ich bekam wieder Bock zu schreiben, nur für mich. V und ich haben Bock auf mehr! Bock auf mehr Poetry Slam! Wie siehts mit euch aus?

Alles Liebe!
Katharina