„Warum gerade Afrika?“ – diese Frage wurde mir von so vielen Leuten in meinem Umfeld gestellt. Ich (Natascha) studiere Medizin und bin nun schon im 6. und letzten Studienjahr gelandet (oh Wunder – manchmal frage ich selbst wie ich das eigentlich geschafft habe). Im Rahmen meines letzten Jahres, dem klinisch praktischen Jahr (kurz KPJ oder PJ) müssen wir verschiedene Praktika in Spitälern absolvieren. Für 8 Wochen habe ich mir nun ein Praktikum in Accra, Ghana organisiert. Ja, Natascha, warum gerade Afrika?

Meine Begeisterung für Afrika kam durch meine beste Freundin D, sie war schon zwei Mal dort und hat mich mit ihren Erzählungen über ihr Praktikum dort so mitgerissen und begeistert, dass ich es im Hinterkopf behielt, auch einmal dorthin zu gehen. Auch Ärzte ohne Grenzen hat mich immer fasziniert und die kleine Natascha dachte sich, „wenn ich einmal groß bin, dann mach ich das!!“. Die Jahre vergingen und mein Studium lief dahin und plötzlich fand ich mich vor dem großen 6. Jahr wieder. A erzählte mir vor circa einem Jahr auf einer Party, dass sie plante ein Praktikum in Ghana zu machen und ich witterte meine Chance. Jetzt oder nie, sagte ich mir. Bin ich erst einmal fertig mit dem Studium und beginne meine Ausbildung, kann ich nicht einfach mal so für ein paar Monate nach Afrika und auch nicht später, dann habe ich vielleicht schon Kinder.. Jetzt oder nie, jetzt oder nie, hallte es in meinem Kopf wider. Ich bin ja eher ein Mensch, der vorsichtig ist, der nicht zu viel riskiert, der bei jeglichen Aktionen und Entscheidungen lieber auf der sicheren Seite bleibt und der eher (sagen wir es mal lieb) ein Schisser ist. Doch das sollten wir alle nicht sein! Wir alle sollten öfters einmal etwas riskieren, wir sollten alle mutig sein und Dinge tun, wenn uns danach ist und wir die Möglichkeiten dazu haben. Wir sollten nicht zu viel nachdenken und Dinge erleben, die einem einzigartige Erinnerungen und Erfahrungen bringen. Diese Chance bietet sich vermutlich nur einmal im Leben und warum sollte ich sie nicht ergreifen? Gut, ich gehe jetzt nicht in ein fernabgelegenes Krankenhaus, fernab von jeglicher Zivilisation oder Infrastruktur, umgeben von Wäldern, wilden Tieren und Seuchen, wo ich jeden Tag um mein Leben fürchten muss. Für Weltenbummler/innen und Überlebenskünstler/innen ist das bestimmt alles keine große Sache – aber für mich und vor allem für meine Familie ist „nach Afrika gehen“ schon etwas sehr sehr Außergewöhnliches.

Ich will nicht einmal die Frau sein, die sich fragt, was wäre passiert, wenn ich das gemacht hätte. Einer meiner Jahresvorsätze für 2017 war es damals, Dinge gleich zu tun und nicht aufzuschieben oder mir für ein anderes mal aufzuheben. Möchte ich dieses Lokal ausprobieren, dann tue ich es bei der nächsten Gelegenheit und warte nicht auf einen besonderen Anlass. Möchte ich diese tolle teure Duftkerze anzünden, dann mache ich es sofort und hebe sie mir nicht bis zum Nimmerleinstag auf, weil sie einfach so hübsch aussieht und ich sie möglichst lange besitzen möchte. Es war bei mir auch oft so mit neu gekaufter Kleidung: meine neuen Nike-Schuhe oder meine Stan Smith verbrachten nach dem Kauf sicher ein Monat ihr Dasein im Karton, weil ich sie noch nicht tragen und schmutzig machen wollte. Bis ich etwas benutzte oder einweihte, bis ich dazu bereit war, verging immer viel Zeit. Aber ich will nicht mehr warten, ich will nicht mehr aufschieben, ich will leben und die Dinge gleich tun, wenn ich die Lust dazu verspüre, vorausgesetzt ich habe auch die Möglichkeiten dazu. So auch mit Afrika! Realistischerweise bekomme ich diese Chance nicht mehr so schnell. Ich habe nebenbei eine wunderbare Familie, die mich in meinem Vorhaben unterstützt und mir diese Reise auch finanziell ermöglicht.

Medizinisch gesehen, glaube ich dass viele Menschen bei Afrika an Schamanen, Kräuter und zurückgebliebene Medizin denken. Doch das ist nicht so. Sie sind dort keinesfalls hinten nach, sie haben einfach nicht die Mittel, die wir hier in Europa beispielsweise haben. Kommt ein/e Patient/in bei uns ins Spital, machen wir gleich viele viele Tests mit verschiedenen Proben (Blut, Auswurf, Biopsien, Harn, Stuhl) und ordnen vielleicht auch noch eine Bildgebung an. Im Röntgen oder CT sieht man dann mal schnell, was das Problem für die Beschwerden sind. Ich gehe davon aus, dass sich in Afrika nicht alle an diesen Möglichkeiten der Diagnostik bedienen können. Deswegen müssen sie auch viel mehr auf den/die Patient/in eingehen, die Anamnese und die physikalische Untersuchung viel gewissenhafter erheben und durchführen, um zu eruieren, was genau das Problem ist. Und genau deswegen glaube ich, dass wir im Hinblick auf diesen Aspekt von den Ärzten/innen dort viel mehr lernen können als von unseren hier. Dieses Eingehen auf den/die Patient/in, die eingehenden Gespräche und die Fokussuche mit den wenigen zur Verfügung stehenden Mitteln, lernen wir hier nur von wenigen. Vielleicht werde ich auch eines besseren belehrt, doch ich glaube, dass ich in Afrika einen ganz anderen Blickwinkel auf den/die Patient/in erlernen werde und meinen klinischen Blick viel besser schulen kann.

Weiters haben mich Ds Erzählungen von der Kultur und den Menschen dort so gefesselt, dass ich das mit eigenen Augen sehen muss. Die Menschen dort sind so offen, interessiert und so glücklich. Obwohl sie so wenig zum Leben, so wenig Besitz und so viele Probleme haben (an die wir im täglichen Leben gar nicht denken müssen), sind sie trotzdem glücklich. Und das (das weiß ich jetzt schon ganz genau) wird mich so sehr faszinieren. Meinen Schwestern und mir hat es nie an etwas gefehlt. Wenn wir uns ehrlich sind, leben wir in Österreich in Hülle und Fülle. Manche mehr, manche weniger, aber den meisten geht es wirklich gut. Ich glaube, dass ich von der Lebenseinstellung der Menschen in Afrika viel lernen kann. Auch ich bin meistens ein Konsum-Opfer und will das und das und das. Mein Freund D sagt manchmal, das ich oft nicht zufrieden bin, mit dem was ich habe und immer mehr Konsumgüter anhäufen muss. Das stimmt und ich glaube nicht, dass mich das auf Dauer wirklich glücklich macht. Vielleicht für den Moment, aber am Ende sind es andere Werte die wirklich an Bedeutung haben. Mit dieser Reise kann ich für mich persönlich lernen, die Dinge die ich habe, mein schönes Leben, die Werte im Leben wieder mehr zu schätzen zu wissen. Ds Mama sagt oft, „Man braucht ja nicht viel um glücklich zu sein.“ und das habe ich durch diese ganze inszenierte Blogger/innen-Welt, den täglich großen Konsum und das große Angebot um mich herum über die Jahre hindurch ein wenig aus den Augen verloren. Somit sehe ich diese Reise auch ein bisschen als Selbstfindungstrip. Mein Leben als Studentin geht zu Ende, vor mir wartet die große Welt und die Verantwortung einer Ärztin. Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie viel Angst ich davor habe (vor der Reise, sowie vorm Ärztin-Sein). Aber ich werde einfach ins kalte Wasser springen und ich vertraue darauf, dass das alles schon wird. Und das solltet ihr auch, liebe Familie und Freund/innen. ♡

Eure,

Titelbild via Gwegner.de
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